Rendez-vous à Marseilles
Am Donnerstag anfangs Mai endet der offizielle Arbeitstag schon am Nachmittag. Wir reisen für ein langes Wochenende nach Marseille. Mit dem Zug. Zeit und Geld spart CAS damit nicht. Aber dafür reduzieren wir den CO2-Ausstoss um rund zwei Drittel. Das Anliegen der Nachhaltigkeit wird von der Geschäftsleitung mit Helen Chappuis und René Chappuis konsequent verfolgt. Bei den Projekten, im Büroalltag und eben auch bei den Büroevents. Dieser hier verspricht ein spannendes Programm mit architektonischen Highlights, kulinarischen Genüssen, reichlich Pastis und beschwingtem Savoir-vivre. Über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den CAS Standorten Kriens, Altdorf, Willisau und Fribourg nehmen teil. Unterschiedliche Persönlichkeiten, die sich gemeinsam auf Entdeckungstour begeben.
Als wir die Treppe von der Metro hinaufsteigen, steigt uns der unverkennbare Geruch des Meeres in die Nase. Der alte Hafen empfängt uns mit malerischen Schiffen, säuberlich aneinander gereiht, vorbereitet, morgen wieder auf Fischfang in See zu stechen. Ein spektakulärer Gegensatz bildet das Spiegeldach, am Quai de la Fraternité. Eine gigantische, aber äusserst leicht wirkende Überdachung als Sonnen- und Regenschutz für Märkte, Feste und andere Veranstaltungen. Ihre Unterseite aus poliertem Edelstahl spiegelt die Geschehnisse des öffentlichen Platzes. Wir blicken staunend nach oben und stehen das erste Mal Kopf. Das Quartier übt mit seinen zahlreichen Bars, Bistros und Restaurants einen besonderen Reiz aus. Danke Andrea, dass du für uns in dieser pulsierenden Gegend ein Hotel reserviert hast. Die Nächte hier in Marseille sind ziemlich lang, aber zumindest ist der Weg ins Hotel kurz.
Von wegen Sozialwohnung
Die Stadtführung erleben wir aus architektonischer Sichtweise. Der Vieux Port bildet stadträumlich wie auch ideell das Zentrum von Marseille. Bis heute stellt der Hafen mit seinen urban gefassten Rändern faktisch den grössten Platz der Stadt dar. Die Kriegszerstörungen am Nordufer des Vieux Port waren nicht die Folge einer Bombardierung, sondern einer grossflächigen kontrollierten Sprengung, durchgeführt auf Druck der deutschen Wehrmacht. Es ist die Chance für eine Neuordnung der Stadt und für den Architekten Fernand Pouillon. Mit dem Projekt «La Tourette» verleiht er dem Gebiet ein neues Gesicht. Das Projekt umfasst rund 200 Wohnungen, die in mehreren Baukörpern unterschiedlicher Geschossigkeit um einen rechteckigen Platz gruppiert sind. Die Frage nach dem Zusammenhalt des städtischen Raums über Proportion und Materialisierung ist hier besonders differenziert beantwortet. Ebenso beeindruckend ist das Projekt am Quai du Port. Die Besichtigung einer Wohnung zeigt uns die einzigartigen Qualitäten, die Pouillon mit seinen Grundrissen erreicht. Die sogenannten Sozialwohnungen sind grosszügig, durchgängig geplant und eröffnen beidseitig einen Blick auf das Meer.
La Cité Radieuse
Den Hut ziehen wir einmal mehr vor Le Corbusier beim Besuch der Cité Radieuse, etwas ausserhalb vom Zentrum von Marseille. Die Unité d’habitation ist ein bedeutsamer Versuch, zeitgemäße Wohnformen zu entwickeln, um die Bedürfnisse des Einzelnen mit dem Leben in der Gemeinschaft in Einklang zu bringen.
Das Gebäude präsentiert sich als Wohnblock mit 135 Metern Länge, 24 Metern Breite und 56 Metern Höhe, der auf Stützen ruht. 330 Wohnungen, eine Einkaufsstrasse und ein Hotel mit Restaurant sowie auf der Dachterrasse ein Kindergarten und Sporteinrichtungen. Ein Teil dieser Gemeinschaftseinrichtungen ist heute noch erhalten.
Es wurde ein Bauprinzip angewandt, das die Bezeichnung „‚Flaschenregal“ erhielt. Es zeichnet sich dadurch aus, dass Wohnzellen unterschiedlichen Typs in ein vorgefertigtes Stahlbetonskelett eingebaut wurden, ähnlich wie Flaschen in ein Regal geschoben werden.
Alle Wohnungen sind von Ost nach West durchgehend, mit Ausnahme derjenigen, die an der Südfassade liegen. Als Familienmittelpunkt dient das über zwei Ebenen offene Wohnzimmer; die obere Etage beherbergt die Schlafzimmer für Eltern und Kinder. Das Wohnzimmer wird durch eine Loggia, die auch als Sonnenschutz für die darunterliegende Wohnung (brise-soleil) dient, nach außen vergrößert.
Die Küche ist mit Elektroherd, Kühlschrank, Müllschlucker und Einbauschränken ähnlich einem Labor eingerichtet. Auch in der ganzen Wohnung befinden sich anstelle traditioneller Möbel zahlreiche Einbaumöbel. Küche, Badezimmer und Toilette werden mechanisch belüftet, während der Wohnraum über ein Belüftungssystem mit Frischluft versorgt wird. Damit geht die Ausstattung der Unité weit über den Standard preisgünstigen Wohnungsbaus hinaus, ebenso überschreiten die Wohnflächen die üblichen Normen um 40 bis 50%.
Die 17 Hauptgeschosse werden von acht innenliegenden Fluren erschlossen, den sogenannten „Straßen“. Jede dieser Straßen erschließt rechts und links Maisonette-Wohnungen, deren zweite Etage entweder darüber oder darunter angeordnet ist, also jeweils drei Geschosse. Man erreicht jede Straße über Aufzüge und Fluchttreppen.
Das gesamte Gebäude und seine Ausstattung sind auf dem Modulor aufgebaut, dem universellen Maßsystem, das von Le Corbusier entwickelt und bei der Unité in Marseille erstmals angewandt wurde.
Santé Marseille
Drei Tage voll bepackt mit geselligem Austausch und einem grosszügigen, unvergesslichen Programm, organisiert von Andrea und Jewan. Vergnüglich und amüsierend und meistens bis in die frühen Morgenstunden dauernd. Merci bien, liebe Geschäftsleitung! Santé Marseille!